Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt; vor Vervielfältigung und/oder Weitergabe setzen Sie sich bitte mit dem Rechte-Inhaber in Verbindung: Peter J. Gollnik, Nierott 30, 24214 Gettorf
Dies ist die Schilderung einer (mehrteiligen) Wanderung: Von den Karpaten durch die Hohe Tatra, die Sudeten, bis ins Erzgebirge, den Böhmer Wald. Und es ist auch die Schilderung einer Begegnung mit der Geschichte.
Bis zum Podbanske läuft die Magistrala fast parallel
zum "Weg der Freiheit", der auch einmal ein Wanderweg
war, bevor er 1928 asphaltiert wurde, und dessen Name an die
Gründung der Tschecho-Slowakischen Republik 1919 erinnern
soll. Unterhalb des Podbanske wird die Magistrala stellenweise
zur Flanierstrecke, auf nur noch 980 Meter Höhe geht's nochmal,
dann mehr ab als auf drei Stunden lang bis unter 900. Fatal:
Über längere Strecken fehlt die Markierung; da lernt
der Wandersmann auch schon mal die "Chaty"-Ansammlungen
im dichten Wald südlich des Weges kennen - ganze Groß-Siedlungen
an offenbar komfortablen Datschen, deren zeitweise Bewohner in
Scharen auftauchen, um gestikulierend und kichernd die Karte
zu bestaunen und auf den rechten Weg zu weisen. Besser, als von
"Brunos" Brüdern begrüßt zu werden
- 50 Braunbären soll's hier irgendwo noch geben,
Wölfe auch...
Chata Oresnica: Das Bächlein Racková plätschert vorbei, und die "Chata" ist keine Hütte, sondern ein sehr sternen-würdiges Hotel, 1000 Kronen die Übernachtung, das Frühstück am nächsten Morgen geht extra.
Ein Stück weiter, direkt an der Magistrala, das Gegenstück: "Akademik Hotel" nennt sich der sozialistische Vergangenheit ausstrahlende Bau; "Essen von 18 - 18.30 Uhr" prangt ein Schild vor dem "Restaurant" mit pflegeleichter Plaste-Einrichtung, die "Bar" ist geöffnet, die Bedienung läuft angesichts des Gastes jedoch erst einmal fort. Da lächelt der Tourist und geht gern woanders hin...
Zwei
Stunden gemütliches Schlendern, nur kleine An- und Abstiege,
bis zur Chata Koziar, rustikal, fix bemühte Bedienung,
Mirka Jalajova heißt sie, steht auf der Getränkequittung;
am Nebentisch zwei urige Gestalten, dem Schnaps zusprechend,
die mitgebrachte
Wurst zerteilend.
Feiner, geradezu traumhaft, und keine Chata mehr, sondern ein richtiges "Recreation"-Hotel: Das "Mnich" mit vielen steinernen Mönchsfiguren vor der Tür und dem besten Bier der Tatra, dem - natürlich - Mönchsbier. Fünf Minuten oberhalb des "Mönch" ist die Tatranska Magistrala zu Ende; die Hohe Tatra fällt ab, weiter nach Westen beginnen die Beskiden. Eine halbe Stunde Fußweg bis Jalovec auf weniger als 700 Meter Meereshöhe, von dort fährt ein Bus die acht Kilometer nach Liptovsky Mikulás, das bei den Karpatendeutschen St. Nikolaus in der Liptau heißt.<
Man darf auch als Wanderer mal mit der Bahn fahren - über Kralovany mit Übernachtung in der "Penzión Rosnicka", die sich als Pizzeria ausgibt, wo aber Peter Rusnák exzellent slowakisch brutzelt - man muss nur seine Frau Bibiána danach fragen.
Dann
nach Cadca, die Bahnhofsschilder stolz mit "Slowakische
Republik" untertitelt, per Parlamentsbeschluss hatte sich
der junge Staat mit Jahresbeginn 1993 aus der damaligen Tschechoslowakei
selbst heraus getrennt - bis zu den einstigen Mitbürgern
in der heutigen Tschechischen Republik sind es nur wenige Kilometer.
Zu Fuss statt dessen nach Oscadnica. Gleich am Beginn des Ortes
vermietet der alte Vinca auch sein ganzes Haus, 250 Kronen, am
frühen Morgen steht er zahnlos grinsend da, Kaffeepulver
in der Hand, brüht einen Becher "türkisch"
auf, macht mit lebhafter Gestik klar, dass er früher auch
in die Berge gegangen sei: "Piff, paff", daher die
Wild-Trophäen im Hauseingang.
Zum Velká Raca geht's hoch, direkt an die polnische Grenze, von 450 Meter auf mehr als 1200. Eine gute Stunde davor ein Riesenvergnügungspark, Kletterwände, Sommerbobbahn, Hüpfburg für die Kleinsten, ballonbereifte Offroad-Roller für die Abfahrt über Stock und Stein, aufwärts geht's mit mehreren Sesselliften - Natur pur? Eine Stunde entlang der Grenze, die polnische Markierung mal links, mal rechts des Pfades; strahlender Sonnenschein, plötzlich ein Donnerschlag, es regnet Wassermassen. Unten angekommen, in Stará Bystrica, ist es schließlich dunkel.
Peter J. Gollnik, Sept./Okt. 2006