Geschichten aus der Provinz

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Ein Deal mit dem Angeklagten

Ermittler "echt erschüttert"

2500 Stück "Ecstasy"-Pillen und pfundweise Haschisch bestellt und gekauft zu haben, gab der 20-jährige Hohenwestedter letztlich zu - ein Jahr Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, und 200 Stunden gemeinnützige Arbeit lautete das Urteil dafür vor dem Rendsburger Schöffengericht.

Dass der junge Mann überhaupt eingestand, Drogengeschäfte betrieben zu haben, hatte etwas mit dem zu tun, was man unter Juristen "Prozess-Ökonomie" zu nennen pflegt - in der verhandelten Szene würde man es einen "Deal" nennen.

Allein die nach Ansicht der Anklage eindeutig zuzuordnenden Einzeltaten (zwei Mal 1000 Ecstasy, ein Mal 500, fünf Mal bis zu einem Kilogramm Haschisch) hätten nach Rechnung von Staatsanwalt Dr. K. aus Kiel drei und ein viertel Jahr Haft ohne Wenn und Aber, vor allem ohne Bewährung, gebracht.

Das allerdings hätte sich wohl auf die Aussage eines einzigen Zeugen stützen müssen - der Angeklagte selbst (bei dem nur eine Plastikdose mit Haschisch eingezogen worden war) zog es vor, zu allen Vorwürfen zu schweigen; sein Pflichtverteidiger sprach von "nebulösen" Angaben des Zeugen. Erst als Richter K. laut über eine mögliche "Einordnung als minder schwere Straftat" nachdachte, kam dann doch alles zusammen: Bei der Aussicht auf eine Bewährungsstrafe nickte auch der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Rauschmittelmengen ab, der Staatsanwalt war zufrieden mit der Zusammenziehung seiner dreieinviertel Jahre auf eines, auch den Schöffen genügte die bloße Drohung mit dem einen Jahr Haft.

"Da ist nix mehr", versprach zu seinem guten Schluss der 20-jährige Ex-Drogen-Großkonsument ("alles nur zum Eigenbedarf oder an Freunde weiter gegeben"), seine Dealer-Karriere nicht wieder aufzunehmen. Er könne seine Familie auch so unterhalten, versicherte der gerade zum zweiten Mal werdende Vater; derzeit helfe er "auf 400-Euro-Basis" auf dem Bau aus.

Einblicke in die Gepflogenheiten der Branche hatte zuvor der Belastungszeuge, ein Schüler, gegeben: Er habe "auf Bestellung" für den Angeklagten Haschisch, Ecstasy und auch Kokain in Hamburg gekauft - "er war der erste, der so große Mengen bei mir geholt hat". Der Schüler hatte sich schließlich selber angezeigt - nachdem ihm noch nicht bezahltes Kokain gestohlen, er von den Lieferanten zusammengeschlagen worden war und seine Mutter ihn gedrängt hatte, "reinen Tisch" zu machen. Im Januar war er zu einer Jugendstrafe mit Bewährung verurteilt worden.

Nachtrag: Ein Polizeiermittler, nicht dienstlich und lediglich als Zuhörer im Saal gewesen, fühlte sich draußen sichtlich demotiviert: "Ich bin echt erschüttert". Nicht einmal sei von den Rauschmittel-Opfern gesprochen worden, und der Angeklagte, "der hat doch richtig Geld gemacht": Der Straßenpreis für eine einzige Pille Ecstasy läge bei zehn Euro. "Wir haben viel mit so etwas zu tun - und dafür arbeiten wir monatelang, schlagen wir uns die Nächte um die Ohren."

PETER J. GOLLNIK / Juli 200



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