Geschichten aus der Provinz

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Justitia und die "Erpressung"

"Mit mir nicht"

So kann's zugehen bei Justitia: Eigentlich hatte der ursprünglich zuständige Staatsanwalt das Verfahren gegen Zahlung von 150 Euro einstellen wollen; ehe es dazu kam, wirbelte ein Wechsel in der Geschäftsstelle der Kieler Staatsanwaltschaft die Zuständigkeiten um; "mit mir nicht", sagte der nun zuständige Ankläger - und deshalb saß gestern ein gerade wirtschaftlich zugrunde gegangener Dienstleister vor dem Neumünsteraner Schöffengericht. "Erpressung" stand als Vorwurf der Anklage auf dem Terminzettel.

Dazu gekommen war es so: Im damals schon unter Kuratel des Insolvenzverwalters stehenden Fahrzeugpflegebetrieb des gelernten Malers hatte ein Reinigungsgerät seinen Geist aufgegeben, das "Herzstück des Betriebes" sei die Maschine gewesen, so der Ex-Unternehmer, ohne sie habe man nicht arbeiten können. Also wurde ein Reparaturhandwerker gerufen. Der kam, schraubte auf, wechselte Teil auf Teil, nahm die ganze Maschine schließlich mit in seine Werkstatt. Er habe mehrfach um einen Kostenvoranschlag gebeten, berichtete gestern der einstige Fahrzeugpfleger, "das sehen wir später", habe er aber nur zu hören bekommen.

Dann war die Maschine fertig, 900 Euro habe man bar zu zahlen, hieß es nun. Anruf beim Insolvenzverwalter, der die Kostenübernahme per Fax beim Reparaturbetrieb ankündigen wollte. Dort war das Fax noch nicht angekommen. 900 Euro bar oder die Maschine bleibe hier, hieß es. "Du hast gar nichts zu melden, ich hau' Dir eins in die ..." habe der Angeklagte gebrüllt, so der Inhaber. Es kam zu Gerangel, Geschiebe, eine Absperrkette zerriss, ein Telefon ging zu Bruch, "ich bin ins Lager durch, hab' mein Gerät genommen", gibt der Angeklagte freimütig zu. Schon war auch die Polizei da, zeitgleich mit dem Fax vom Insolvenzverwalter.

Genützt hat die reparierte Maschine nicht mehr: Der Betrieb wurde dicht gemacht, mit an die 70.000 Euro Schulden lebt der einstige Fahrzeugpfleger heute von Arbeitslosenhilfe, zahlt davon jeden Monat 125 Euro Schulden ab.

Richter Hans-Rainer Pichinot behagte das große Wort "Erpressung" nicht so recht; er sah die Lösung im Schadensausgleich. Heißt: Der Angeklagte zahlt 300 Euro an den Werkstattinhaber; wenn das innerhalb von drei Monaten geschehen ist, ist die strafrechtliche Seite erledigt.

PETER J. GOLLNIK / 18. Nov. 2003



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